Geschichte

Die Geschichte der Bogenjagd – von der Urzeit bis heute

Im Folgenden soll ein kurzer Einblick in die Geschichte der Bogenjagd von der Steinzeit bis heute vermittelt werden. Hierbei kann generell nur eine kleine Auswahl präsentiert werden, welche verschiedene Epochen und geografische Räume beleuchtet. Zuerst erfolgt ein Abriss über die Jagd mit Pfeil und Bogen im ur- und frühgeschichtlichen Europa, anschließend wird die Bogenjagd im Mittelalter und in der frühen Neuzeit näher beleuchtet. Zuletzt wird die Entwicklung hin zur modernen Bogenjagd zusammengefasst, welche hauptsächlich in den USA stattfand.

Ur- und Frühgeschichte

Die ältesten Funde zur Bogenjagd

Der genaue Zeitpunkt der Erfindung von Pfeil und Bogen ist schwer greifbar. Laut einer Theorie fand die Erfindung von Pfeil und Bogen nach der Eiszeit (vor 12.500-10.000 Jahren) statt, da sich die Umweltbedingungen durch die Wiederbewaldung verändert hatten. Experimentalarchäologische Untersuchungen ergaben, dass man im Wald mit kürzeren Pfeilen einen klaren Vorteil gegenüber den längeren und stark ausschwingenden Speeren hat (Speerschleuder). Die frühe Verwendung von Pfeil und Bogen ist auch mangels eindeutiger Funde schwer belegbar. Eine Schwierigkeit bei Spitzen aus Silex (Feuerstein) ist die einwandfreie Zuordnung der Exemplare zu einem bestimmten Waffentyp. So sind die Größe und Masse der Spitze nicht automatisch ein Beweis für die frühe Verwendung von Pfeil und Bogen. Spitzenfunde könnten sowohl von Pfeil und Bogen, als auch von den früher erfundenen Speerschleudern stammen. Bei den zierlichen Steinspitzen von verschiedenen Fundplätzen der iberischen Halbinsel, könnte es sich jedoch um Pfeilspitzen handeln. Die Datierung der Spitzenfunde ist zwischen 20.000 und 16.000 v. Chr. anzusetzen. Wenn diese Zuordnung passt, existierten Pfeil und Bogen auf der iberischen Halbinsel bereits deutlich vor dem Ende der Eiszeit.

Der bislang weltweit älteste eindeutige Fund von Pfeilen (um 10.000 v. Chr.) – und gleichzeitig ein früher Nachweis von der Jagd mit Pfeil und Bogen stammt aus dem Ahrensurger Tunneltal bei Stellmoor in der Nähe von Hamburg. Die aus gespaltenem Kiefernholz hergestellten Schäfte bestehen aus 70-80 cm langen Hauptschäften und aus 15-20 cm langen, mittels gegabelten Steckverbindungen auswechselbaren Vorschäften mit den Spitzen. Bei den Spitzen handelt es sich um steinerne Stielspitzen der Ahrensburger Kultur. Daneben wurden auch einfach angespitzte Pfeilvorderenden aus Holz verwendet. Des Weiteren wurden zwei angebliche Bogenenden aus Kiefernholz gefunden. Diese Fragmente sind jedoch seit dem 2. Weltkrieg verlorengegangen. Aufgrund der Beschreibung und der erhaltenen Abbildungen ist eine eindeutige Interpretation als Bogenenden nicht zwingend.

Wie schon zuvor erwähnt, konnte in Stellmoor die Jagd mit Pfeil und Bogen nachgewiesen werden. Insgesamt wurden im dort ausgegrabenen Jagdlager rund 18.000 Rentierknochen von 650 Rentieren gefunden, von welchen manche Einschüsse und Schnittspuren aufweisen. Durch eine genaue Untersuchung der Einschusslöcher, welche noch Reste von Silexspitzen enthalten, konnten die Schusswinkel auf die Rentiere rekonstruiert werden. Die Tiere wurden demnach von beiden Seiten und von schräg hinten beschossen. Die Jäger schossen teils aus erhöhter Position auf die Rentiere. Es ist also anzunehmen, dass die Bogenschützen zur Jagd die Engstelle zwischen dem dort vorhandenen See und Hügel nutzten. Die Rentiere flohen vermutlich schwimmend durch den See und wurden auch dort von oben aus beschossen.

Die Bogenjagd im Mesolithikum (Mittelsteinzeit, ca. 9600-6000 v. Chr.)

Aus dem Mesolithikum stammen mehrere gut erhaltene Funde von Flachbögen aus Ulmenholz. Besonders prominent ist der Holmegardbogen, welcher zwischen 8.000 und 6.500 v. Chr. in der Maglemosekultur Nordeuropas Verwendung fand. Der Holmegardbogen besitzt einen schmalen Griff, welcher in breite und flache Wurfarme übergeht. Besonders charakteristisch ist die abrupte, schulterartige Verschmälerung des Bogens im mittleren Bereich der Wurfarme. Grund für diese Verschmälerung dürfte eine Massereduktion der äußeren Wurfarmbereiche sein, was die Effizienz des Bogens erhöht. 

Mit solchen Holmegardbögen wurden möglicherweise unter anderem Auerochsen gejagt. Beim Torfstechen In Vig, Dänemark, wurde ein Skelett dieser Spezies aus dem 9-8. Jt. v. Chr. gefunden. Zwei Rippen weisen Schussverletzungen mit Splittern von Silexspitzen auf. Einer der Verletzungen ist verheilt. Das Tier hat also eine Jagd mit Verletzungen überlebt. Das zweite Jagdereignis endete für den Auerochsen tödlich, da die andere Verletzung nicht verheilte. Außerdem wurden noch drei weitere Silexspitzen in der Brustpartie des Tieres gefunden. Eine weitere Wunde im Schulterblatt deutet darauf hin, dass bei der Jagd auf den Auerochsen zusätzlich Lanzen oder Speere in Verwendung waren.

Die Bogenjagd im Neolithikum (Jungsteinzeit 5500-2200 v. Chr.)

Ab dem Neolithikum bestehen die Bögen zumeist aus einem besonders guten Bogenholz – der Eibe (Abb. 1). Im Groben gibt es zwei Bogengrundformen. Zum einen gibt es stabförmige Bögen (Abb. 2) zum anderen existieren „propellerförmige“ Bögen, welche einen schmalen Griff aufweisen. Die Wurfarme werden zur Wurfarmmitte hin breiter, um sich dann in Richtung der Bogenenden zu verschmälern. Bei beiden Bogenformen ist interessanterweise nicht der Bogenbauch abgerundet, sondern der Bogenrücken. Die Bauchseite des Bogens ist flach bis konkav. Nun zur Pfeiltechnologie. Die Pfeilspitzen konnten wie bereits im Mesolithikum längsschneidig oder querschneidig sein. Auch wurden zur Jagd auf Vögel und Kleinwild weiterhin Kolbenpfeile verwendet, mit welchen die Tiere mit einem stumpfen Schlag betäubt oder getötet wurden.

Rekonstruktion eines neolitischen Stabbogens aus Eibe. Rekonstruktion und Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Sehr langsam gewachsenes Eibenholz. Während das helle Splintholz im Bogenrücken liegt und Zugkräfte gut aufnimmt, ist das dunkle Kernholz am Bogenbauch sehr druckstabil. Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Bronzezeit und Eisenzeit

Aus der Bronzezeit (2200-800 v. Chr.) sind lediglich Fragmente von 10 Bögen bekannt. Technologisch gesehen werden die Bogenformen des Neolithikums im Großen und Ganzen fortgeführt, da diese bereits in der Jungsteinzeit sehr funktional waren. Die Bogenenden wurden teilweise jedoch breiter ausgeführt, als im Neolithikum. Hauptsächlich wurde im Bogenbau weiterhin Eibenholz verwendet. Daneben waren auch Hölzer, wie Ulme (Lötschenpass, Schweiz) und Hartriegelholz (Fiavé-Carera, Italien) in Verwendung. Eine Neuerung in der Pfeiltechnologie ist die Verwendung von Bronzespitzen zunehmend ab der Mittelbronzezeit. In Süddeutschland und in der Schweiz sind ab der mittleren Bronzezeit Harpunenspitzen belegt, welche mit Sicherheit bei der Fischjagd Verwendung fanden.

Aus der Eisenzeit (800-15 v. Chr.) sind weder hallstatt- noch latènezeitliche Bögen bekannt. Die genaue Entwicklung der Holzbögen bleibt also Spekulation. Eine Ausnahme bildet hier der Fund eines Zweiholzbogens aus Paltamo, Finnland. Der zwischen 380 und 180 v. Chr. datierte Bogen ist dem Proto-Lappischen Kulturkreis zuordenbar. Der Bogen besteht aus verleimten Streifen von Birken- und Kiefernholz. 

Ab dem 2. Jh. n. Chr. gibt es Funde (z. B. Nydam), welche bereits Formen des späteren Langbogens mit flachem Rücken und rundem Bauch repräsentieren. Auf diesen Bogentyp wird in Kürze eingegangen.


Mittelalter und frühe Neuzeit

Langbögen des Frühmittelalters

Die meisten erhaltenen Holzbögen des Mittelalters stellen Langbögen aus Eibenholz dar. Dieser vermutlich von Germanen entwickelte Bogentyp ist stabförmig, schmal und besitzt ein hohes Wurfarmprofil. Langbögen sind im Griffbereich am breitesten und verjüngen sich gleichmäßig zu den Sehnenkerben hin. Typisch für frühmittelalterliche Langbögen sind die lang überstehenden Bogenenden. Beispiele hierfür sind die Langbögen aus Haithabu und Nydam (Abb. 3, 4). Letztere Form scheint sich so gut bewährt zu haben, dass diese mindestens zwischen dem 2. und 12. Jh. in Verwendung war. 

 

Rekonstruktion eines Nydambogens aus Eibe. Rekonstruktion und Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Rekonstruktion eines Nydambogens aus Eibe. Detailaufnahme des überstehenden Bogenendes. Rekonstruktion und Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Der englische Langbogen

Etwa um 1300 findet beim Langbogen eine entscheidende technologische Weiterentwicklung hin zum englischen Langbogen statt (Abb. 5, 6). Langbögen wurden ab diesem Zeitpunkt mit Hornenden ausgestattet, in welche von nun an die Sehnenkerben eingetieft wurden. Der entscheidende Vorteil besteht darin, dass die Bogenenden von nun an dünner gestaltet werden konnten, ohne dabei den Bogen durch Einreissen des Holzes an den Bogenenden zu gefährden. Der Bogen wird dadurch effizienter. Der Langbogen wurde von Anfang an sowohl als Jagd- als auch als Kriegswaffe eingesetzt, wie die spezifischen Varianten an Pfeilspitzen beweisen. Für die Jagd auf größeres Wild kommen hauptsächlich blattförmige Spitzen zum Einsatz. Diese sind meist zweischneidig und besitzen eine Schafttülle, einen Schaftdorn oder eine Schaftzunge. Für die Jagd auf Niederwild und Vögel wurden weiterhin Kolbenpfeile genutzt, wie ein Fund aus der Wikingersiedlung Haithabu belegt.

Rekonstruktion eines englischen Langbogens aus Eibenholz. Rekonstruktion und Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Rekonstruktion eines englischen Langbogens aus Eibenholz. Detailaufnahme des Hornendes. Rekonstruktion und Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Die Jagd mit Kompositbögen im Mittelalter

Fresko mit Darstellung eines berittenen Bogenjägers auf Schloss Runkelstein. Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Auch zur Jagd mit dem Kompositbogen lassen sich Quellen aus dem Mittelalter ausfindig machen. Wer durch den Bannforst (also durch das Jagdrevier) des Königs reitet, durfte dies gemäß dem Sachsenspiegel (14. Jh.) nur mit abgespanntem Bogen oder Armbrust tun. Der Köcher soll dabei bedeckt sein. Auf der zugehörigen Miniatur ist ein Reiter mit Kompositbogen und Köcher abgebildet. Eine weitere wichtige Quelle mit Bezug auf die Bogenjagd stellt das Buch der Jagd von Gaston Phébus, Graf von Foix dar. In dem um 1385 verfassten Werk wird sowohl der englische Langbogen aus Holz, als auch der besonders schnell schießende türkische Kompositbogen aufgezählt. Auch auf den Fresken von Schloss Runkelstein bei Bozen, Südtirol, existiert eine Abbildung von einer Jagd mit Pfeil und Bogen. Ein reitender Adeliger ist kurz davor, einen Pfeil zu schießen. Bei dem gemalten Bogen dürfte es sich vermutlich um einen Kompositbogen handeln.

Der Ulmenbogen aus Schloss Tirol bei Meran

Der Ulmenbogen aus Schloss Tirol. Dokumentation: Andreas Blaickner, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Ebenfalls aus Südtirol stammt der Fund eines Ulmenbogens (Abb. 8). Der Bogen wurde aus einem Gerüstloch aus der Krypta von Schloss Tirol geborgen und konnte mithilfe der C14-Methode zwischen 1270 und 1390 datiert werden. Als Grundmaterial für den relativ schwachen Bogen diente ein in etwa 2,5 cm dicker Ulmenast/Ulmenschössling. Die Gesamtlänge des Ulmenbogens beträgt lediglich 113,8 cm, mit einer effektiven Länge von 106,9 cm. Mithilfe einer Rekonstruktion wurde eine durchschnittliche Geschossenergie von 14,5 Joule erreicht. Für den Krieg oder für die Jagd auf größeres Wild ist diese Geschossenergie zu gering. Jedoch besteht prinzipiell die Möglichkeit einer jagdlichen Verwendung auf Vögel und andere kleine Tiere. Aufgrund der relativ groben Bearbeitung der Oberflächen kommt als Besitzer keine Person hohen Standes infrage.

Maximilian I. und die Bogenjagd

Auch am Übergang zur Neuzeit spielte der Bogen bei der Jagd noch immer eine Rolle. So lernte Maximilian I. (1459-1519) laut seiner Autobiographie, dem Weißkunig, den Umgang mit dem osmanischen Kompositbogen zu Pferde und konnte nach kurzer Zeit so gut schießen, wie die besten Husaren am Hofe seines Vaters. Maximilian I. soll fähig gewesen sein, auf diese Weise Vögel aus der Luft zu schießen. 

Der Bogen aus Schloss Hohenaschau

Aus Schloss Hohenaschau im Chiemgau stammt einen Holzbogen mit reich beschnitzten Geweihenden, der in der Literatur unter anderem mit der Jagd- und Freizeitkultur zur Zeit Kaiser Maximilians I. in Verbindung gebracht wird. Der heute im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg ausgestellte Bogen besteht aus Goldregenholz und besitzt einen reflex gestalteten Griff. Die Bogenenden sind ebenfalls leicht reflex gedämpft. Dies erhöht die gespeicherte Energie im System und ermöglicht eine höhere Pfeilgeschwindigkeit. Besonders interessant ist der 5-eckige Wurfarmquerschnitt des Bogens. Diese sind den Wurfarmen des frühmittelalterlichen  Alemannenbogens (Fundort Oberflacht, Baden-Württemberg) sehr ähnlich, welche ebenfalls ein 5-eckiges Wurfarmprofil aufweisen. Es ist möglich, dass diese Tradition durch das Mittelalter hindurch fortgeführt wurde. 

In den Inventarlisten der Rüstkammer von Schloss Hohenaschau werden im 16. Jh. mehrere hölzerne Bögen aufgezählt. Bei einem davon könnte es sich möglicherweise um den erhaltenen Bogen handeln. Typologisch ist eine genaue Datierung des Bogens jedenfalls nicht möglich. Es handelt sich um den Typ des sogenannten Burgunderbogens/Schweizerbogens, welcher zwischen dem 15. und beginnenden 19. Jh. hergestellt wurde (Abb. 9, 10 und 11). 

Rekonstruktion eines Burgunderbogens/Schweizerbogens aus Goldregen. 5-eckiger Querschnitt des Bogens mit Zierrillen. Auch Goldregenholz hat ein helles Splint- und ein dunkles Kernholz. Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Rekonstruktion eines Burgunderbogens/Schweizerbogens aus Goldregen. Rekonstruktion und Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Rekonstruktion eines Burgunderbogens/Schweizerbogens aus Goldregen. Ein weiteres typisches Merkmal dieses Bogentyps sind die Bogenenden aus Hirschgeweih. Bei den meisten Originalen (wie auch bei dieser Rekonstruktion) sind die Bogenenden nicht verziert. Der Bogen aus Schloss Hohenaschau mit den reich verzierten Bogenenden bildet hierbei eine Ausnahme. Foto: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Die Jagd mit Kugelbögen

Ein interessantes Zeugnis der Bogenjagd stellt eine aus Venedig stammende Abbildung von Vittore Carpaccio aus den 1490er Jahren dar. Im Hintergrund des Bildes ist Lagune mit einer Bogenjagd auf Wasservögel abgebildet. Die Jäger stehen auf fünf Gondeln mit Ruderern und schießen auf Wasservögel. Dabei verwenden sie keine Pfeile, sondern Kugeln, welche aus Blei, Ton oder Stein hergestellt waren. Diese Jagdtradition wurde mindestens bis um 1760 beibehalten, wie eine weitere Abbildung einer Bogenjagd auf der Lagune von Pietro Longhi belegt (Abb. 12). Beide Künstler hielten die Schießtechnik der Bogenjäger richtig fest. Man sieht, dass die Schützen die Sehne mit dem Daumen und Zeigefinger ziehen. Beim Schuss dreht sich der Bogen im Griff nach rechts, sodass der Stein/die Kugel beim Ablass rechts am Bogen vorbeifliegt. Würde man den Bogen mit der mediterranen Technik schießen, träfe der Stein den Griff und würde den Bogen zerstören. Diese Technik erfordert jedoch einiges an Übung. Um ein Treffen des Bogengriffes unmöglich zu machen, dachten sich Bogenbauer des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit nachweislich spezielle Bogenkonstruktionen aus. So ist im Stundenbuch der Catharina van Cleve um 1440 ein Kugelbogen abgebildet, dessen Griffmitte ein geschmiedeter Ring bildet, durch den die Kugel beim Schuss hindurchfliegt. Oberhalb und unterhalb des Rings befinden sich zwei Tüllen, in welche die beiden hölzernen Wurfarme gesteckt sind. Neben dem Bogen sind zwei Beutel abgebildet, welche zur Aufnahme der Kugeln dienen. Ein weiterer Lösungsvorschlag ist im Löffelholzkodex von 1505 vorhanden. Hier sind zwei Kugelbögen abgebildet. Während der obere, hölzerne Bogen keine konstruktive Besonderheit aufweist, besteht der untere Bogen komplett aus geschmiedetem Stahl. Knapp über der Mitte des Bogens befindet sich eine hufeisenförmige Ausnehmung, durch welche die Kugel ungestört hindurchfliegen kann (Abb. 13). Während in Asien noch heute einige alte Exemplare von Kugelbögen erhalten sind und manche Bergstämme noch immer mit Kugelbögen jagen, sind dem Autor keine derartigen erhaltenen Bögen aus Europa bekannt. Bei europäischen Armbrusten gibt es noch in zahlreichen Museen Exemplare aus dem 16. bis 19. Jh., welche zum Schießen von Kugeln konstruiert wurden (Kugelschnepper). 

Nachzeichnung eines Ausschnittes von Pietro Longhis Darstellung einer Bogenjagd auf der Lagune. Zu Füßen des Bogenschützen befindet sich eine Schale mit den Kugeln. Nachzeichnung: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck.

Nachzeichnung des Kugelbogens mit Ausnehmung am Griff. Die originale Abbildung stammt aus der Löffelholzhandschrift von 1505. Nachzeichnung: David Jaumann, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck. 

Die Entwicklung hin zur modernen Bogenjagd

Die Bogenjagd bei Indianern und frühe Berührungspunkte mit Europäern

In Nordamerika wird seit etwa 13.000 Jahren mit Pfeil und Bogen gejagt. Die von Indianern verwendeten Bögen weisen eine sehr große Formenvielfalt auf. So wurden im östlichen Waldland hauptsächlich längere, hölzerne Bögen unterschiedlicher Bauart hergestellt, während die erhaltenen Bögen der Westküste meist kurz, flach und sehnenbelegt waren. Im mittleren Westen wurden unter anderem Kompositbögen mit Hörnern des Dickhornschafs verwendet. Die Einführung des Pferdes in Nordamerika erforderte die Verwendung kürzerer Bögen, da diese vom Pferderücken aus leichter zu handhaben sind. Im Buch „The White Chief“ berichtete Belden, der 12 Jahre lang bei Indianern in den Great Plains lebte, von einer berittenen Jagd mit Pfeil und Bogen auf Bisons (Abb. 14). Die dabei verwendeten Bögen waren laut Belden kurz und so stark, dass man diese ohne Übung nicht ziehen konnte. Von diesen Bögen verschossene Pfeile sollen durchaus in der Lage gewesen sein, einen Bison zu durchbohren. Nach 12 Jahren bei Indianern, diente Belden im amerikanischen Bürgerkrieg. Danach verließ er erneut die westliche Zivilisation und seine Spuren verloren sich. Beldens sehr präzise Schilderungen über die Verwendung von Pfeil und Bogen im Krieg, bei der Jagd und auch zu Kommunikationszwecken zeugen von seinem umfangreichen Wissen in dieser Materie. Belden kann als Berührungspunkt der indianischen Bogenjagd mit Europäern gewertet werden. Berührungspunkte, wie diese, führten letztendlich zur modernen Bogenjagd. 

 

Langbögen des Frühmittelalters

Die Brüder Will und Maurice Thompson aus Georgia lernten bereits in ihrer Jugend den Umgang und die Jagd mit Pfeil und Bogen. 1877 beschrieb Maurice Thompson seine diesbezüglichen Erfahrungen im Buch „The Witchery of Archery“. Ein Kapitel enthält die Beschreibung einer Bogenjagd in Florida mit dem Indianer Tommy. Das Buch wurde ein großer Erfolg und weckte ein breites öffentliches Interesse, woraufhin in den USA viele Bogenschützenvereine gegründet wurden. Zum Vorstand des neu gegründeten Dachverbandes, der National Archery Association, wurde Maurice Thompson persönlich gewählt. Die Bogenturniere wurden jedoch mit englischen Langbögen ausgetragen. 

Belden, The White Chief: Bildliche Darstellung der berittenen Bogenjagd auf Bisons.

Die Bogenjagd gewinnt an Popularität

Als Väter der Bogenjagd werden jedoch Saxton Pope und Arthur Young bezeichnet. Saxton Pope wurde der Umgang und die Jagd mit Pfeil und Bogen von Ishi, dem letzten Überlebenden der Yahi Indianer beigebracht. Nach Ishis Tod 1916 wurde Saxton Pope selbst ein passionierter Bogenjäger. Zusammen mit Arthur Young, der ein erfolgreicher Scheibenschütze war und Ishi ebenfalls persönlich gekannt hatte, unternahm Saxton Pope viele Bogenjagden. Diese fanden in den USA und auch in Afrika statt. Saxton Pope schrieb Klassiker der Bogenliteratur wie „The Adventurous Bowmen“ und „Hunting with the Bow and Arrow“. 

Eine Größe des Bogensports und der Bogenjagd der 1930er und 1940er Jahre war Howard Hill. Bekannt wurde er durch Filmproduktionen, in denen er beeindruckende Kunstschüsse vorführte und mit dem Bogen jagte. Howard Hill baute auch Bögen. Beim Design handelte es sich um den amerikanischen Flachbogen. Dieses Design taucht spätestens 1930 auf und ist an indianische Flachbogendesigns angelehnt.

 

Der Massenmarkt für Bogenjagdausrüstung und technologische Weiterentwicklungen

Ein weiterer bekannter Bogenjäger war Fred Bear. Er war Gründer der Firma „Bear Archery“, welche ab den späten 1940er Jahren Flachbögen und Recurvebögen aus Fieberglas herstellte und so in den Massenmarkt für Bogenjagdprodukte einstieg. Ihm zu Ehren, veröffentlichte der umstrittene Rockmusiker Ted Nugent einen Song mit dem Titel „Fred Bear“. 

1966 wurde von Holless Wilbur Allen das Patent zum Compoundbogen eingereicht. Zusammen mit Tom Jennings nahm er die serienmäßige Produktion von Compoundbögen auf. Compoundbögen werden bis heute in ständig weiterentwickelter Form von den meisten Bogenjägern eingesetzt, da sie sehr zielgenau sind und eine hohe Leistung besitzen.

 

Rückbesinnung zu den Ursprüngen

Die Herstellung von Holzbögen kam durch die Massenproduktion von Bögen fast gänzlich zum Erliegen. Ab den späten 1980er Jahren wird besonders von den USA ausgehend die alte Tradition des Holzbogenbaus wiederbelebt. Seitdem erscheinen wieder eine Menge interessanter Bücher über den Bogenbau. Auch durch regen Gedankenaustausch in Internetforen erfreut sich der traditionelle Bogenbau in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Es wird an einer Vielfalt an historischen und modernen Bogendesigns herumgetüftelt. Die so entstandenen Bögen werden zum sportlichen Wettkampf und auch zur Bogenjagd eingesetzt. 

Literatur

atarn.org/letters/letter_summaries.htm#pellet

http://www.artinsociety.com/carpacciorsquos-double-enigma-hunting-on-the-lagoon-and-the-two-venetian-ladies.html

https://www.bowhunter-ed.com/michigan/studyGuide/The-History-of-Modern-Bowhunting/301023_3622/

http://objektkatalog.gnm.de/objekt/W741

M. French – D. Glover – C. Grayson, Bogen, Pfeile Köcher aus sechs Kontinenten. Die Charles E. Grayson Sammlung (Ludwigshafen 2010)

J. Hamm, Bows and Arrows oft he Native Americans (Guilford, Connecticut 1991)

J. Junkmanns, Pfeil und Bogen. Von der Altsteinzeit bis zum Mittelalter (Ludwigshafen 2013)

J. Junkmanns, Pfeil und Bogen. Herstellung und Gebrauch in der Jungsteinzeit (Biel 2007)

J. Hamm, Lektion vom Scheibenschießen, in: Die Bibel des traditionellen Bogenbaus, Band 4 (Ludwigshafen 2008) 327-344

S. Allely, Ishis Bogenausrüstung, in: Die Bibel des traditionellen Bogenbaus, Band 4 (Ludwigshafen 2008) 345-368

M. Thompson, The Witchery of Archery: A complete Manual of Archery (New York 1878)

S. Pope, Hunting with the Bow and Arrow (1923)

G. Belden, Belden, The White Chief; or, twelve Years among the wild Indians of the Plains. From the Diaries and Manuscripts of George P. Belden, The Adventurous White Chief, Soldier, Hunter, Trapper, and Guide (Cincinnati, New York 1870)

D. Jaumann, Der Ulmenbogen aus der Krypta von Schloss Tirol – Waffe oder Werkzeug?, in: E. Flatscher, H. Stadler (Hrsg.), Schloss Tirol Bd. 3 Archäologie, Die archäologischen Befunde und Funde (Schloss Tirol 2018)

C. Lankes, „… eine schöne grosse Harnischcamer mit rustungen statlich versehen“ – Die Rüstkammer der Burg Hohenaschau. In:  Adel in Bayern – Ritter, Grafen, Industriebarone (Stuttgart 2008) 49-75

H. Riesch, Reflexbogen, Reiterköcher und Steppenpfeile. In: Reflexbogen, Geschichte und Herstellung. (Ludwigshafen 2009) 68-113

Über den Autor

Daniel Jaumann ist Masterstudent an der Universität Innsbruck im Fach Archäologie. Sein Hauptinteresse liegt im Bereich des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Daniel Jaumann beschäftigt sich seit seiner frühen Jugend mit dem Bogensport und ist traditioneller Bogenbauer. Seine bisher gebauten Bögen bestehen aus verschiedenen Hölzern, wie Eibe, Goldregen, Osage und Esche. Er beschäftigt sich besonders mit dem Nachbau historischer Bögen verschiedener Epochen. Seine Bachelorarbeit schrieb er über den Ulmenbogen, welcher in Schloss Tirol bei Meran gefunden wurde. Im Rahmen dieser Arbeit wurde auch eine Rekonstruktion des Ulmenbogens vorgenommen.

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Der Weltjagdverband C.I.C. hat bereits eine eigene Arbeitsgruppe zur Förderung der Bogenjagd in Europa eingerichtet, um diese traditionelle Jagdmethode ebenso zu fördern wie z.B. die Falknerei. Dazu gehört natürlich eine fundierte Ausbildung der Bogenjäger.

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